D: „Sich gegenseitig Halt geben“
Am Samstagabend fand ein ökumenischer Trauer- und Gedenkgottesdienst statt. Der katholische Bischof Gerhard Feige ist tief betroffen und erklärt, wie die Kirche helfen kann.
Das Kölner Domradio fragte Feige, welche Worte er im Trauergottesdienst gefunden habe.
Interview
„Das war eine große Herausforderung. Ich habe versucht, erst einmal die Situation mit Worten wiederzugeben, die Gefühle zu erfassen, die sich eigentlich nicht greifen lassen. Und meine Worte waren: ‚Traurig und wütend, ratlos und ängstlich, unsicher und verzweifelt, sprach- und fassungslos und tief betroffen lässt uns dieser Anschlag zurück‘.
Ich habe aber ebenso versucht klarzumachen, dass wir gemeinsam hier sind, um uns gegenseitig Halt zu geben, um auszuhalten, was eigentlich nicht zu begreifen ist. Und weil wir eben auch Hass und Gewalt nicht das letzte Wort geben wollen. Ich habe am Schluss noch von Franz von Assisi eingebracht: ‚Gegen die Nacht können wir nicht ankämpfen, aber wir können ein Licht anzünden‘. Und das war wichtig…“
Es ist ruhig in der Stadt, es scheint irgendwie alles nach wie vor stillzustehen. Wie erleben Sie die Menschen gerade in Magdeburg?
„Den Eindruck hat man tatsächlich. Als sei die Stadt wie gelähmt. Der Weihnachtsmarkt wird nicht mehr eröffnet. In Magdeburg gibt es dann die sogenannte Lichterwelt, also Plätze mit verschiedenen Gestalten, die Krippe vor dem Dom, die drei Könige vor unserer Kathedrale. Das alles wird auch nicht mehr angeschaltet und man spürt also, dass die Menschen erschüttert und entsetzt sind und wie gelähmt.“
Angesichts dieser Gewalttat sehen Sie jetzt auch die Gesellschaft gefordert. Was meinen Sie da konkret?
„Ich glaube, wir müssen uns noch stärker gegen Hass und Hetze und jeglichen Extremismus engagieren und für ein friedvolles Miteinander einsetzen. Es hat parallel gestern ja schon Demonstrationen der AfD und der Rechtsradikalen gegeben, die bis zum Dom vordringen wollten. Das ist Gott sei Dank nicht gelungen. Und diese Kräfte, die schüren auch solche Situationen und instrumentalisieren sie dann für ihre Interessen. Dagegen müssen wir zusammenhalten.“
Wie kann die Kirche denn nun helfen? Welches Angebot können Sie für die Menschen in Magdeburg machen?
„Am Rande waren die Malteser natürlich groß im Einsatz. Aber auch die Notfallseelsorge aus Magdeburg und der ganzen Umgebung hat Menschen gestärkt und unterstützt.
Wir können Räume zur Verfügung stellen. Wir leben zwar in einer säkularen Gesellschaft - es sind nur elf Prozent der Menschen in Magdeburg Christen -, aber gerade bei solchen Katastrophen gibt es das Bedürfnis, irgendwo Räume zu finden, um still zu werden, um etwas zu bedenken, um nach einem Halt, nach Orientierung zu suchen. Und ein solcher Raum war gestern der Dom. Wir können auch an den Weihnachtstagen den Menschen die Möglichkeit eröffnen, vielleicht auch in unseren Gottesdiensten etwas Halt zu finden.
Wir haben an diesem Sonntag den vierten Advent. Bald ist Heiligabend, danach kommen die Weihnachtsfeiertage. Wie können die Menschen in Magdeburg Weihnachten feiern oder besser begehen?
„Meiner Meinung nach spielen die Äußerlichkeiten weniger eine Rolle. Es wäre gut, sich auf den Kern, auf den Realismus der Weihnachtsgeschichte zu beziehen. Christus kommt nicht in eine Traumwelt, sondern in eine Welt, wie sie ist. Und ich meine, dass wir auch uns von dieser Botschaft angesprochen fühlen müssten in der Welt, wie wir sind.
Jemand hat gesagt, dass Weihnachten für Magdeburg bereits am 20. Dezember zu Ende gegangen sei. Das würde ich nicht sagen. Ist Weihnachten richtig verstanden, können wir und sollen wir auch weiter feiern.“
Wie versuchen Sie, den Bürgerinnen und Bürgern in der Stadt weiterhin Trost zu spenden?
„Das ist natürlich schwierig. Wir sind als Kirchen eine geringe Minderheit, und viel können wir nicht über Worte tun. Aber unsere Caritas, die Diakonie, stehen zur Verfügung und wir versuchen, durch unsere Gottesdienste auch Menschen anzusprechen, die nicht unbedingt zu uns gehören, aber in die Gottesdienste kommen.“
(domradio – sk)
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