Papst: Den Weg der Einheit gehen
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
Zu Beginn der Vesper am Fest der Bekehrung des Apostels Paulus stiegen einige Religionsvertreter, darunter Metropolit Polykarpos und Ian Ernest, persönlicher Vertreter des Erzbischofs von Canterbury, zum Paulusgrab hinunter, um dort zu beten. Wegen seines anhaltenden Knieleidens konnte Papst Franziskus sie dieses Mal nicht begleiten.
Das Motto der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen ist einem Vers aus dem ersten Kapitel des Buches Jesaja entnommen: „Lernt, Gutes zu tun! Sucht das Recht“ (1,17). Jesaja lehrte, dass Gott Recht und Gerechtigkeit von uns allen verlangt, und zwar zu jeder Zeit und in allen Bereichen des Lebens.
Die „starken“ Worte des Jesaja...
Von diesen „starken Worten“ ausgehend, stellte Franziskus in seiner Predigt fest:
„Wenn wir auf die Befürchtungen der Zeit, in der wir leben, achten, haben wir umso mehr Grund, uns für das zu interessieren, was den Herrn leiden lässt, für den wir leben. Und wenn wir uns in seinem Namen versammelt haben, können wir nicht umhin, sein Wort in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist prophetisch: Gott ermahnt uns nämlich mit der Stimme Jesajas und fordert uns zur Veränderung auf.“
Den Herrn nicht missverstehen
Zur Zeit des Propheten Jesaja sei die – leider immer noch aktuelle – Neigung verbreitet gewesen, die Reichen als von Gott gesegnet zu betrachten und die Armen zu verachten. Doch so würde man den Herrn vollkommen missverstehen.
„Jesus nennt die Armen selig, und im Gleichnis vom Jüngsten Gericht identifiziert er sich mit den Hungrigen, den Durstigen, den Fremden, den Bedürftigen, den Kranken und den Gefangenen,“ präzisierte Franziskus. „Gott leidet, wenn wir, die wir behaupten, seine Gläubigen zu sein, unserer eigenen Sichtweise gegenüber der seinen den Vorzug geben, den Urteilen der Erde statt denen des Himmels folgen… Gott ist also, so könnten wir sagen, über unser gleichgültiges Missverstehen betrübt.“
Und noch mehr betrübe Gott die gotteslästerliche Gewalt. Wir könnten uns sicher vorstellen, mit welchem Schmerz er auf die Kriege und Gewalttaten blicke, die auf das Konto von Menschen gehen, die sich Christen nennen, beklagte der Papst:
„Trotzdem gibt es immer noch jene, die meinen, ihr Glaube würde sie ermutigen oder es ihnen zumindest erlauben, verschiedene Formen von engstirnigen und gewalttätigen Nationalismen zu unterstützen, von fremdenfeindlichen Einstellungen, von Verachtung und sogar Misshandlungen von Menschen, die anders sind.“
Nicht nur anklagen, sondern statt Bösem Gutes tun
Nicht umsonst sei das Thema dieser Gebetswoche von einer Gruppe von Gläubigen aus Minnesota gewählt worden, „die sich des an den indigenen Völkern in der Vergangenheit und an den Afroamerikanern in unseren Tagen begangenen Unrechts bewusst ist,“ so Franziskus weiter. Man dürfe also nicht nur anklagen, sondern müsse vom Bösen zum Guten übergehen. Und dazu bräuchten wir die Hilfe Gottes.
„Von unserem Missverstehen Gottes und von der Gewalt, die in uns schwelt, können wir uns nicht alleine befreien. Ohne Gott, ohne seine Gnade, genesen wir nicht von unserer Sünde. Seine Gnade ist der Ursprung unserer Verwandlung. Daran erinnert uns das Leben des Apostels Paulus, dessen wir heute gedenken. Alleine schaffen wir es nicht, aber mit Gott ist alles möglich. Alleine schaffen wir es nicht, aber gemeinsam ist es möglich. Der Herr fordert die Seinen nämlich auf, sich gemeinsam zu bekehren.“
Und diese Bekehrung habe eine gemeinschaftliche, kirchliche Dynamik.
„Glauben wir also daran, dass auch unsere ökumenische Bekehrung in dem Maße voranschreitet, in dem wir uns als der Gnade bedürftig, ja als der Barmherzigkeit bedürftig erkennen: Indem wir uns alle als in allem von Gott abhängig erkennen, werden wir uns mit seiner Hilfe »eins« fühlen und tatsächlich »eins« sein (Joh 17,21)“, betonte der Papst und gab abschließend folgenden Denkanstoß:
„Aber vergessen wir nicht, dass gemeinsam unterwegs zu sein und zu erkennen, dass wir miteinander im Heiligen Geist in Gemeinschaft stehen, eine Veränderung, ein Wachstum mit sich bringt, das – wie Benedikt XVI. schrieb –, »nur möglich [ist] aus der inneren Begegnung mit Gott heraus, die Willensgemeinschaft geworden ist und bis ins Gefühl hineinreicht. Dann lerne ich, diesen anderen nicht mehr bloß mit meinen Augen und Gefühlen anzusehen, sondern aus der Perspektive Jesu Christi heraus. Sein Freund ist mein Freund« (Enzyklika Deus caritas est, 18).“
Hintergrund
Von 18. bis 25. Januar findet jeweils die internationale "Gebetswoche für die Einheit der Christen" statt. Dabei kommen Christen aus unterschiedlichen Konfessionen zusammen, um gemeinsam für die Einheit der Christenheit zu beten. Dieses Jahr hat eine vom Rat der Kirchen in Minnesota eingesetzte Arbeitsgruppe das Thema für die Gebetswoche ausgewählt.
(vaticannews – skr)
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