Gerettete Migranten kommen am Molo Favarolo in Lampedusa an Gerettete Migranten kommen am Molo Favarolo in Lampedusa an  (ANSA) #SistersProject

Italien: Ordensfrauen helfen Migranten in Lampedusa

Ordensfrauen stehen in Lampedusa an vorderster Front, um die erschöpften und traumatisierten Migranten willkommen zu heißen, die nach ihrer Rettung auf dem Mittelmeer von Bord gehen. Für Sr. Antonella Papa ist das selbstverständlich: „Wir sind ein offenes Ohr und eine Brücke zur Gemeinschaft“, sagt sie im Interview mit der Agentur SIR. Sr. Papa leitet das UISG-Projekt „Migranten in Sizilien“.

Wann immer ein neues Rettungsboot im Hafen von Lampedusa anlegt, stehen abwechselnd die vier Schwestern bereit, die im Rahmen des Projektes „Migranten in Sizilien“ der Internationalen Union der Generaloberinnen UISG den erschöpften Neuankömmlingen helfen. Sie stammen aus verschiedenen Kongregationen. Auf der Insel sind sie, um durch ihre Präsenz, ihr Zeugnis und ihre Aufklärungsarbeit eine Brücke zwischen der einheimischen Bevölkerung und den Migranten zu bilden – eine Antwort auf die Aufforderung des Papstes an alle Ordensleute, ihre Heimat zu verlassen und den Menschen zu dienen, die am Rande der Gesellschaft leben.

Die Rettungen finden teils unter dramatischen Umständen statt
Die Rettungen finden teils unter dramatischen Umständen statt

Schwester Papa, die ursprünglich aus Kalabrien stammt, war zehn Jahre lang Missionarin in Brasilien unter dem indigenen Volk der Xerente im Amazonasgebiet und wurde dann Generaloberin ihrer Kongregation der "Figlie di Maria Missionarie". Seit einem Jahr koordiniert sie die Arbeit von drei Schwestern, die das ganze Jahr über auf Lampedusa leben, auf halbem Weg zwischen der Pfarrei San Gerlando, mit der sie aktiv zusammenarbeiten, und der Anlegestelle, an der die von der Küstenwache oder NROs geretteten Migranten an Land gehen.

Vertauschte Rollen

„Wir teilen und feiern mit den Inselbewohnern und den Migranten ohne Unterschied und fördern so weit wie möglich den Austausch von Werten zwischen den verschiedenen Kulturen. Die Gemeinde von Lampedusa hat uns sehr gut aufgenommen. Wir gehen zu jeder Familie, wir teilen die Kommunion aus und spenden Trost. Wir bleiben bei den Jugendlichen und bei den Migranten am Hafen. Wir sind eine Brücke“, sagt Schwester Papa, die immer wieder abwechselnd ihre institutionellen Verpflichtungen wahrnimmt und dann wieder nach Lampedusa fährt, gegenüber SIR. Ihre Weihnachtsferien wird sie bis zum Dreikönigstag auf der Insel verbringen. Die Schwestern sind heute Teil der kirchlichen Gemeinschaft von Lampedusa. „Die Fischer geben uns Fische, und der Pfarrer kocht sie für uns. Es ist ungewöhnlich, dass die Rollen in der Kirche vertauscht sind“, sagt sie mit einem Schmunzeln.

Gut vernetzt

Gut vernetzt sind sie auch mit den anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die auf der Insel präsent sind: Die Organisation "Mediterranean Hope" des Bundes der Evangelischen Kirchen in Italien (FCEI), das Lampedusa-Solidaritätsforum, das Rote Kreuz, das den Hotspot "Contrada Imbriacola" verwaltet, die humanitären Organisationen und NRO, die Migranten retten, sowie die Polizei.

„Wir erhalten die Informationen über die Anlandungen am Molo Favarolo von der Website der Küstenwache, und halten uns dann gegenseitig auf dem Laufenden“, erklärt sie. „Wir gehen dann zur Anlegestelle und bleiben dort zusammen mit dem Roten Kreuz. Seit sie den Hotspot betreiben, ist der Umgang mit den Migranten humaner. Es gibt viele von uns, die die Menschen, die von Bord gehen, willkommen heißen.“

Ein 11-jähriges Mädchen aus Sierra Leone wird nach einem tödlichen Schiffbruch, den sie als einzige überlebt hat, von Helfern versorgt
Ein 11-jähriges Mädchen aus Sierra Leone wird nach einem tödlichen Schiffbruch, den sie als einzige überlebt hat, von Helfern versorgt

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Unterkühlt, verängstigt, hungrig und durstig gehen die Migranten von den Booten, die sie gerettet haben, an Land. Das Rote Kreuz verteilt Tee, Wasser und Snacks. Die Schwestern sprechen die Sprachen, die auch die Migranten sprechen: Arabisch, Englisch, Französisch. „Wir hören einfach nur zu. Oder wir intervenieren, wenn das Rote Kreuz nicht alles tun kann. Sobald sie von Bord gehen, sind sie sehr schockiert, vor allem die Frauen. Oft bitten sie uns, sie auf die Toilette zu begleiten. Manchmal vertrauen sie uns etwas an. Sie erzählen uns, was auf der Reise passiert ist.“

Dabei hören die Schwestern herzzerreißende Geschichten wie die einer Mutter aus Kamerun, die vor einigen Monaten ihre 15 Monate alte Tochter auf dem Meer verloren hat. Das Kind wurde nie gefunden. „Sie konnte keinen Frieden finden, weil ihr das Kind während der Überfahrt aus den Armen gerutscht war. Sie fragte uns immer wieder: Wo ist die Leiche meiner Tochter? Aber es ist uns gelungen, einen Dialog mit ihr einzugehen, eine Beziehung aufzubauen. Sie befindet sich jetzt in einem Zentrum in Catania, und wir telefonieren immer noch miteinander.“

Unaufhörlich kommen gerettete Migranten in Lampedusa an
Unaufhörlich kommen gerettete Migranten in Lampedusa an

Ein anderes Mal sprachen sie mit einem etwa 15-jährigen Mädchen, das den Helfern ein höheres Alter angeben wollte, um sofort arbeiten zu gehen und seiner Familie so Geld schicken zu können, ohne zu wissen, dass Minderjährige einen größeren Schutz genießen. Auch hier konnten die Schwestern vermittelnd helfen.

Manchmal gelingt den Schwestern ihnen sogar, den Kontakt auch auf Distanz zu halten. So wohnt beispielsweise heute eine der Familien, die sie auf Lampedusa aufgenommen haben, mit einem drei Monate alten Mädchen in Rom. „Aber wenn es Opfer gibt, ist es sehr schwer, vor allem, wenn es sich um Kinder handelt“, so Sr. Papa weiter.

Ein Jubiläum „der Hoffnung, der Vergebung und der Versöhnung“

Derzeit versuchen die Schwestern, eine Zusammenarbeit mit einer anderen kongregationsübergreifenden Schwesterngemeinschaft in Agrigent aufzubauen. Für die Schwestern von Lampedusa steht das in wenigen Tagen beginnende Heilige Jahr im Zeichen der „Hoffnung, der Vergebung und der Versöhnung, zuerst mit uns selbst und dann mit den anderen“. Ihre besondere Hoffnung ist, dass es ein Ansporn sein möge, „den Tragödien des Meeres ein Ende zu setzen“.

(sir/patrizia caiffa - cs)

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20. Dezember 2024, 12:57